Hallo,
ich habe die Graphic Novel jetzt durchgelesen und -gesehen und bin im Großen und Ganzen positiv beeindruckt. Sie ist zugleich spannend, informativ und ausgesprochen flüssig zu lesen. Dass sie nicht "objektiv" sein kann, ist klar, aber inhaltlich macht sie nicht den Eindruck einer dick aufgetragenen Heroisierung oder Mystifizierung von René Goscinny. Sicherlich ist dem Medium geschuldet mancher komplexe Vorgang auch vereinfacht und stark gerafft dargestellt. Auf einem reinen Textbuch von 330 Seiten könnte man natürlich mehr unterbringen als in einer Graphic Novel mit diesem Umfang. Aber der Wechsel zwischen den Kapiteln mit Erzählungen von Anne Goscinny und den Kapiteln mit Schilderungen von René Goscinny - die wohl Interviews aus dem Zeitraum 1959 bis 1977 entnommen sind - funktioniert gut. Und es ist schon eine interessante Grundidee quasi auf einer der Erzählebenen die Entstehung des Werkes selbst, nämlich die Zwiegespräche zwischen der Autorin Catel Muller und Anne Goscinny, zu seinem Inhalt zu machen.
Wer etwas über René Goscinny's Leben vor Asterix erfahren möchte, dem kann ich das Buch uneingeschränkt empfehlen, sofern er sich - wie auch ich hier erstmals - auf das Medium Graphic Novel einlassen kann.
Im letzten Kapitel, dem Epilog, wird erwähnt, dass Anne Goscinny und Catel Muller - wohl infolge der Arbeiten an dieser Graphic Novel - eine gemeinsame humoristische Figur namens "Lucrèce" geschaffen und bislang drei Werk mit ihr in der Hauptrolle veröffentlicht haben. Wie sich aus dem vorherigen Kapitel ergibt, soll das wohl eine Art weiblicher und in die moderne Zeit versetzter Gegenentwurf des "Kleinen Nick" von René Goscinny und Jean-Jacques Sempé sein.
Eine Recherche im Internet hat gezeigt, dass dieses Jahr bereits der 5. Band von "Le Monde de Lucrèce" von Anne Goscinny/Catel Muller erscheint, es allerdings keiner davon zu einer deutschen Übersetzung gebracht zu haben scheint:
https://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss_ ... de+Lucrece
Letzteres ist aber wohl auch nicht so sehr verwunderlich, wenn man berücksichtigt, dass Anne Goscinny noch nicht einmal einen eigenen Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia zu haben scheint.
Ich hätte es ja zumindest mal ganz interessant gefunden, in einen Teil davon hineinzulesen und zu schauen, wie nah es stilistisch und qualitativ an René Goscinny's "Kleinem Nick" ist. Vielleicht wird ja irgendwann mal ein Teil davon hierzulande veröffentlicht; wobei es dazu ggf. natürlich eine gekonnte Übersetzung brauchen würde. Jedenfalls ist die bei der Kindersprache des "Kleinen Nick" ja ein ganz erheblicher Teil des Erfolgsgeheimnisses.
Gruß
Erik