Obelix der weibliche Part?

Allgemeine Themen, die etwas mit Asterix zu tun haben und Vorstellung aktueller Asterix-Hefte, -Filme und -Produkte.

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idemix
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Obelix der weibliche Part?

Beitrag: # 19352Beitrag idemix »

Hallo!

Aus dem Thread "Quizfrage DCLXXII":
Erik hat geschrieben:
Carsten hat geschrieben:Ob uns Herr Uderzo damit etwas sagen wollte ...? Lendengrübchen sind eigentlich ein Merkmal des weiblichen Körpers
André Stoll behauptet doch schon in seinem Buch "Asterix, das Trivialepos Frankreichs", Obelix verkörpere im Duo Asterix/Obelix den weiblichen Part. Ich habe das allerdings schon immer für Unfug gehalten.
Ich verlege dies mal hierher, um nicht OT zu sein...

Wie begründet André Stoll diese These? Abgesehen von den "mütterlichen Rundungen" und der Tatsache, dass der Sohnemann offenbar von Obelix begeistert ist, sehe ich da wenig zusammenhänge.

Gruß
Markus
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Erik
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Re: Obelix der weibliche Part?

Beitrag: # 19354Beitrag Erik »

Hallo Markus,
idemix hat geschrieben:Wie begründet André Stoll diese These? Abgesehen von den "mütterlichen Rundungen" und der Tatsache, dass der Sohnemann offenbar von Obelix begeistert ist, sehe ich da wenig zusammenhänge.
ich auch nicht, aber Herr Stoll wohl. Ich zitiere die Stelle (die übrigens auch der BGH in seinem "Asterix-Persiflagen"-Urteil aufgegriffen hat) mal. Sie fidet sich auf S. 39-40. Das muß man selbst lesen, um es zu glauben:
André Stoll hat geschrieben:In dem komplementären, ungleichen Paar [Asterix und Obelix] ist die alte mythische Dichotomie Intelligenz/Instinkt und deren Gleichsetzung mit den Kategorien männlich/weiblich in der traditionellen Weise aktualisiert worden. Wirkt der eine aufgrund seiner Intelligenz und Verwegenheit und trotz seiner Asexualität (als Un-Person) »viril«, so verkörpert der andere, der der oralen Lust frönt [Obelix beim Wildschweinessen], das mit Sinnlichkeit und Instinktgetriebensein meist despektierlich gleichgesetzte »Weibliche«, also das Anti-Heroische an sich: Obélix ist anlehnungsbedürftig (an den aggressiven »Mann«), schüchtern und zärtlich (zu seinem Hund Idéfix, der die Stelle eines Kindes einnimmt), tolpatschig, ja selbst sein Aussehen, seine Rundungen sowie die roten Zöpfe, die einen lustigen Kontrast zu seinem Schnauzbart bilden, evozieren das karikaturale Bild einer behäbigen Vettel.

Erklärt diese rollenspizifische Komplemetarität des männerbündischen Heldenpaares die außergewöhnlichen Identifikationsmöglichkeiten der männlichen und weiblichen Comic-Leser, denen meist dieselbe Dichotomie während ihrer Sozialisationszeit als quasi natürlich vermittelt wurde, so erfüllt Obélix zugleich eine historische Symbolfunktion, die derjenigen seines Pendants entsprechend zugeordnet ist.
Asterix, Obelix und Idefix als Vater, Mutter und Kind. Nette Idee, aber letztlich stimme ich dem nicht zu.
Auich sonst kann man schon an der "Intelligenz" von Asterix angesichts des Kupferkessels und seines dort bewiesenen "Geschicks" beim Wildschweinverkauf oder der Planung eines Banküberfalls zweifeln. Er ist wohl eher clever, denn wirklich intelligent. Auch Obelix' Zöpfe deuten wohl keine Weiblichkeit an, hatte er die doch schon, bevor sein Charakter entsprechend ausgeprägt war und lange bevor Idefix zur Runde hinzustieß, er also seine Zärtlichkeit unter Beweis stellen konnte.

Allerdings ist anzumerken, daß André Stoll's Werk aus 1974 stammt. Er kannte die Bände nur bis Geschenk, als er das Buch verfaßte.

Gruß
Erik

Anmerkung in eigener Sache: Dies ist mein MM. Beitrag.
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idemix
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Re: Obelix der weibliche Part?

Beitrag: # 19356Beitrag idemix »

Hallo!
Erik hat geschrieben:
André Stoll hat geschrieben:In dem komplementären, ungleichen Paar [Asterix und Obelix] ist die alte mythische Dichotomie Intelligenz/Instinkt und deren Gleichsetzung mit den Kategorien männlich/weiblich in der traditionellen Weise aktualisiert worden. Wirkt der eine aufgrund seiner Intelligenz und Verwegenheit und trotz seiner Asexualität (als Un-Person) »viril«, so verkörpert der andere, der der oralen Lust :shock: frönt [Obelix beim Wildschweinessen], das mit Sinnlichkeit und Instinktgetriebensein meist despektierlich gleichgesetzte »Weibliche«, also das Anti-Heroische an sich: Obélix ist anlehnungsbedürftig (an den aggressiven »Mann«), schüchtern und zärtlich (zu seinem Hund Idéfix, der die Stelle eines Kindes einnimmt), tolpatschig, ja selbst sein Aussehen, seine Rundungen sowie die roten Zöpfe, die einen lustigen Kontrast zu seinem Schnauzbart bilden, evozieren das karikaturale Bild einer behäbigen Vettel.
1974 war natürlich das Rollenbild der Frau noch ein wenig anders... aber eine Frau als tolpatschig zu bezeichnen, dürfte bereits damals gewagt gewesen sein. Anlehnungsbedürftig, schüchtern und zärtlich durfte ein Mann damals vielleicht noch nicht sein, vor dem Zeitalter des "weichen Mannes" der dann in die Ära der Metrosexualität mündete. Aber dies mit der oralen Lust ist schon äußerst gewagt, auch wenn der Autor dies vielleicht nicht so "anrüchig" gemeint haben mag, wie es heutzutage begriffen werde könnte...

Wenn man Frauenklischees verwendet, dann könnte man auch argumentieren, dass auch "leicht beleidigt sein" eine weibliche Ausprägung sei - auch wenn wohl "bewiesen" ist, dass dies eher auf Korsen denn auf Frauen zutrifft... :wink:

VG Markus
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Erik
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Re: Obelix der weibliche Part?

Beitrag: # 19357Beitrag Erik »

Hallo Markus,
idemix hat geschrieben:Aber dies mit der oralen Lust ist schon äußerst gewagt, auch wenn der Autor dies vielleicht nicht so "anrüchig" gemeint haben mag, wie es heutzutage begriffen werde könnte...
nein nein, das hat er nicht anrüchig gemeint. Aus dem Teil davor, den ich nicht mitzitiert habe, geht hervor, daß er damit Obelix' maßlosen Wildschweingenuß meint. Daher hatte ich das ja auch extra in eckigen Klammern dazugesetzt. Hier würde ich Herrn Stoll wirklich keine Zweideutigkeit unterstellen wollen.

Ein starkes Stück finde ich die Bezeichnung von Obelix als "behäbige Vettel" aber schon. Wikipedia sagt zu dem Begriff:
Wikipedia hat geschrieben:Bedeutung: eine unzüchtige Frau mit hexenhaftem Aussehen; später: abwertende Bezeichnung für eine alte Frau mit verdorbenem Charakter und unappetitlicher, hässlicher Erscheinung.
Obelix ist doch nicht unzüchtig und schon gar nicht von häßlicher Erscheinung. Er trägt doch eine kleidsame Hose und sogar Schleifchen an den Zöpfen! :wink:

Gruß
Erik
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idemix
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Re: Obelix der weibliche Part?

Beitrag: # 19358Beitrag idemix »

Erik hat geschrieben:Er trägt doch eine kleidsame Hose und sogar Schleifchen an den Zöpfen! :wink:
Vor allem in GmbH!!! :-D :-D
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Iwan
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Beitrag: # 19362Beitrag Iwan »

Kann es sein, dass sich André Stoll sehr gern selbst liest? Um einen so mit Fremdwörtern vollgestopften Text zu schreiben, muss man schon eine sehr eigene Sorte Mensch sein :)

I.
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Beitrag: # 19364Beitrag Erik »

Hallo Iwan,
Iwan hat geschrieben:Kann es sein, dass sich André Stoll sehr gern selbst liest? Um einen so mit Fremdwörtern vollgestopften Text zu schreiben, muss man schon eine sehr eigene Sorte Mensch sein :)
zum Lesen habe ich das Buch auch schon immer eine Zumutung gefunden. Aber es ist wohl von einem Literaturwissenschaftler für Literaturwissenschaftler geschrieben. Möglicherweise ist das bei denen einfach so üblich.

Hier übrigens eine Biographie von Prof. Dr. André Stoll:
http://www.uni-bielefeld.de/lili/personen/astoll/

Gruß
Erik
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Iwan
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Beitrag: # 19366Beitrag Iwan »

Mein Gott, wie um alles in der Welt hat der noch Zeit gefunden, Bücher zu schreiben, bei all dem, was er noch tut :)?
Aber wegen Obelix Weiblichkeit, da denke ich, interpretiert man zu viel in das Comic rein, was Uderzo und Goscinny nie so gedacht hätten ...

Grüße

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Comedix
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Beitrag: # 19371Beitrag Comedix »

Iwan hat geschrieben:Aber wegen Obelix Weiblichkeit, da denke ich, interpretiert man zu viel in das Comic rein, was Uderzo und Goscinny nie so gedacht hätten ...
Nicht nur bei Obelix' Weiblichkeit ... aber Spaß macht das Theoretisieren ja trotzdem.

Marco
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idemix
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Beitrag: # 19373Beitrag idemix »

Comedix hat geschrieben:
Iwan hat geschrieben:Aber wegen Obelix Weiblichkeit, da denke ich, interpretiert man zu viel in das Comic rein, was Uderzo und Goscinny nie so gedacht hätten ...
Nicht nur bei Obelix' Weiblichkeit ... aber Spaß macht das Theoretisieren ja trotzdem.

Marco
Nur das wir uns hier - ich würde fast schon sagen leider - alle einig zu sein scheinen, weshalb natürlich auch keine Diskussion aufkommen kann...

Schade, wäre ein interessantes Thema.
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Carsten
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Re: Obelix der weibliche Part?

Beitrag: # 19374Beitrag Carsten »

Hallo zusammen,
Erik hat geschrieben:
Carsten hat geschrieben:Ob uns Herr Uderzo damit etwas sagen wollte ...? Lendengrübchen sind eigentlich ein Merkmal des weiblichen Körpers
André Stoll behauptet doch schon in seinem Buch "Asterix, das Trivialepos Frankreichs", Obelix verkörpere im Duo Asterix/Obelix den weiblichen Part.
Das war mit bekannt, deshalb konnte ich mir meinen augenzwinkernden Nachsatz einfach nicht verkneifen, da ich von dieser Theorie genauso wenig halte ... :wink:

Viele Grüße
Carsten
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Erik
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Beitrag: # 19377Beitrag Erik »

Hallo,
Comedix hat geschrieben:
Iwan hat geschrieben:Aber wegen Obelix Weiblichkeit, da denke ich, interpretiert man zu viel in das Comic rein, was Uderzo und Goscinny nie so gedacht hätten ...
Nicht nur bei Obelix' Weiblichkeit ... aber Spaß macht das Theoretisieren ja trotzdem.
das sehe ich an der Stelle etwas weniger locker. So, wie Du es schreibst, klingt es so nach einer harmlosen Interpretation der Comics des Spaßes halber. Das ist etwa bei Politix der Fall, in dem Herr Karjalainen sicher - und auch mit gewisser Absicht - viel mehr in den Comic hereininterpretiert, als da ist. Das tut er aber tatsächlich des Spaßes halber, um des Theoretisierens wegen, mit einem Augenzwinkern... so, wie wir es hier im Forum zuweilen auch schon getan haben, nur eben zusätzlich mit politikwissenschaftlichem Background. Man kann seine Interpretationen noch immer nachvollziehbar finden oder nicht. Aber man weiß jedenfalls, daß sie keinen Anspruch auf Ernsthaftigkeit erheben wollen und der Spaß im Vordergund stehen soll.

Das ist aber bei Herrn Stoll's Werk anders. Er analysiert den Comic ernsthaft, mit literaturwissenschaftlichem Ansatz. Das sieht man auch schon an der von Iwan oben bemerkten sehr komplizierten Sprache. Dieses Werk ist nicht an den Asterix-Fan gerichtet, sondern an Seinesgleichen, an Wissenschaftler. Spaß mag Herr Stoll beim Schreiben auch empfunden haben, aber diesen zu vermitteln, ist nicht Anliegen seines Buches. Insofern ist bei ihm der Ansatz, daß eine Überinterpretation ja nichts ausmache, weil das Theoretisieren eben Spaß macht, nicht richtig. Wie geagt, die oben von mir zitierte Passage ist vom BGH als Quelle für das Wesen von Asterix und Obelix herangezogen worden. Es handelt sich um ein wissenschaftliches Werk, das ernst genommen werden will.

Andererseits muß man vorsichtig sein, Herrn Stoll entgegenzuhalten, Uderzo und Goscinny hätten sich dieses oder jenes nicht so gedacht. Damit verkennte man die Fragestellung, die Herr Stoll seinem Buch zugrunde legt. Wie der Titel ja schon nahelegt, untersucht Herr Stoll eher, warum Asterix in Frankreich ein Trivialepos wurde bzw. ist. Dafür kann es ggf. wichtiger sein, wie der Leser etwas wahrnimmt, als wie die Autoren es darstellen wollten oder was sie sich gedacht hatten.

Gruß
Erik
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Fixwienix

Beitrag: # 19399Beitrag Fixwienix »

Ich halte ebenfalls nichts von dieser sehr gewagten Theorie, aber wie sagt man bei uns im Rheinland doch so schön...
Erik hat geschrieben:http://www.uni-bielefeld.de/lili/personen/astoll/
...Gott erschuf in seinem Zorn, Bielefeld und Paderborn ;-)

Gruß Thorsten
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